Auszug aus Forchheimer Geschichten und Jugenderinnerungen von Reinhold Kästel
Aus einer spontanen Idee entstand der Forchheimer Fasenachtsumzug. Die Wiege des Forchheimer Fasenachtsumzuges stand im Kaffee „Atlantic“ . In dem nach dem Krieg zur Gaststätte umgebauten Gebäude der ehemaligen Polsterei und Möbelwerkstätte Sattlers, wie damals die Polsterei genannt wurde, traf sich regelmäßig eine Schar junger Männer zum Stammtisch.
Sie fühlten sich bei den Wirtsleuten Maria und Willi Fox gut umsorgt und waren eine verschworene Gemeinschaft. Einem alten Brauch entsprechend, welchen schon vor dem Kriege die „Adlerbuben“ praktizierten, mußte jeder dieser Stammtischbrüder stets einen Korken mit sich führen und ihn auf Verlangen vorzeigen. Dieser Brauch der „Stöpselbuben“ schweißte die damaligen Burschen zusammen und ist wohl auch der Grund dafür, daß ein gewisser Zusammenhalt für gemeinsame Vorhaben vorhanden war.
Rolf Bimmler, Fritz Burkhard und August Hug die drei noch lebenden damaligen Stammtischbrüder erinnern sich, daß eigentlich gedacht war eine Idee für das „Fechten“ am Fasenachtsdienstag zu verwirklichen, die darin bestand, mit einem Fischerkahn als Atlantik-Schiff beim „Fechten“ durch den Ort zu fahren. So reifte um die Jahreswende 1951/1952 der Plan heran, dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Schnell war herausgefunden, daß Fritz Schorb, der in Gemeinde als leidenschaftlicher Angler bekannt war, einen solchen Kahn hatte. Bereitwillig gab er seinen, in den Gewässern des Altrheins liegenden Fischerkahn für dieses geplante Vorhaben frei. Also machten sich die Stammtischbrüder auf, den Kahn von seinem winterlichen Liegeplatz in den Ort zu holen. Doch welch eine Überraschung. Der Kahn war eingebettet in eine dicke Eisschicht. Mit Manneskraft, gestärkt durch Schnaps zur Aufwärmung und zur Auffrischung der Schaffenskraft, gelang es dann auch den festgefrorenen Kahn von seinem Eispanzer zu befreien um ihn dann von seinem Liegeplatz im Altrheinarm (Napoleon) auf den mitgebrachten Handwagen zu hieven und ihn ins Dorf zu holen.
In der Scheune von Julius Karle wurde er dann unter größter Geheimhaltung für das Vorhaben des „Fechtens“ zurecht gemacht. Die weiteren Arbeiten vollzogen sich im Verborgenen, es sollte ja eine Überraschung sein. Denn bisher zogen zwar einem alten Brauch entsprechend die Fechtgruppen an Fasenacht durchs Ort, doch waren es allesamt nur Fußgruppen.
Und die Überraschung war den Stammtischbrüdern auch gelungen. So setzte sich der Fischerkahn der Atlanticbuben am Fasenachtsdienstag im Jahr 1952 durch den Ort zum Fechten in Bewegung. Das Pferdegespann wurde von Arnold Bätz gelenkt. Für die nötige Stimmung sorgte die Hauskapelle vom Atlantic, die Kapelle Ansmann, die auch bei den unzähligen Kappenabenden im Atlantic für ausgelassene Stimmung sorgte.
Die Atlanticbuben waren vollzählig vertreten. So sind auf dem Bild oben des ereignisreichen Tages festgehalten: Rudolf Lebtig, Rolf Bimmler, Josef Gröber, Fritz Gabauer, Fritz Burkart, August Hug, Hans Lehmann, Josef Pfeffer, Oskar Zdekauer und Ferdinand Moderer.
Mit dabei war auch Walter Hohlweck, der damalige Dorfpolizist.Nicht auf dem Wagen, aber mit dem Korken in der Tasche sorgte er, daß der erste Fasenachtsumzug in der Geschichte von Forchheim sich unbehelligt vom Verkehr durch die Straßen des Ortes bewegen konnte. Die Fechtour durch das Ort war sehr erfolgreich. Nicht nur, daß das Fechten eine große Menge an Eiern und Geld einbrachte, sondern auch die überwältigende Aufnahme dieser Idee des Wagens durch die Bewohner des Ortes war für die „Atlanticbuben“ eine Überraschung.
So war es denn nicht verwunderlich, daß die gute Aufnahme und darüber hinaus auch die gute Stimmung die Idee beflügelte, am Nachmittag nochmals als „Dankeschön“ mit Musik durch die Straßen des Ortes zu fahren. Schnell hatte es sich bis ins „Atlantic“ herumgesprochen, daß in der Gemeinde noch ein anderes gelungenes Fasenachtserlebnis die Stimmung anheizte.
Die Fechtbuben der Sportfreunde hatten in der Nacht zuvor den Hund „Struwel“ von Heinrich Ell entführt um beim Fechten Heinrich Ell zu kopieren. Was dann auch vortrefflich gelang. Fritz Leicht hatte sich so zurecht gemacht, daß die Überraschung perfekt war. Welches ist nun der echte, welches der falsche Ell, wurde in der Gemeinde gerätselt. Heinrich Ell, zu jedem Scherz bereit, war begeistert, sein Mitwirken war eine Selbstverständlichkeit.
Schnell war die Idee geboren, auch den Musikverein Harmonie zu bitten und so konnte der erste Fasenachtsumzug sich am Fasenachtsdienstag des Jahres 1952 in Bewegung setzten. Wie sich Zeitzeugen erinnern kamen auch noch andere Festgruppen, die in den heimischen Gastwirtschaften ihren „Fechtschmaus“ einnahmen hinzu; und bildeten so ein beeindruckendes Spektakel.Es waren dies die Vereine: Liederkranz, die Radfahrer der Concordia, die Spielringkapelle und die Männer der Feuerwehr eine Gemeinschaftsleistung, die seit dieser Zeit der Höhepunkt der heimischen Fasenacht bedeutet und nur zwei mal durch Katastrophen und Kriegshandlungen ausfallen mußte.
Diesen Fasenachtern des Jahres 1952 ist es zu verdanken, daß der 50. Fasenachtsumzug im Jahr 2003 gefeiert werden konnte. Was vor nunmehr fast 50 Jahren aus der Spontanität heraus entstand, entwickelte sich in all den Jahren dann ständig fort. Gemäß dem Spruch: „Anfangen ist gut, weitermachen das Beste“ war es dann in der Folgezeit insbesonders Heinrich Ell, der auch Fasenachts OB genannt wurde, der die Idee des Umzuges in den ersten Jahren am Leben hielt, bis sich dann ein Komitee aus Gemeinderäten, Vereinsvorsitzenden und des Elferrates sich der immer umfangreicheren Organisation und der immer schwieriger werdenden Finanzierung annahm. Heute wird der Umzug vom Verein, „Vereinte Forchheimer Fasenacht e.V.“ organisiert, dessen Mitglieder im örtlichen Gemeindeleben fest verankert sind.